Von Schulterschmerzen durch Krafttraining und Konsequenzen
Gibt es dieses Impingement, oder musst Du nur mehr Rudern?
Bankdrücken - Schulterschmerzen - Diagnose: Impingement.
Ein bekannter Weg für viele, die im Laufe ihrer Trainingskarriere mal Probleme in der Schulter entwickeln. Die Frage ist dann jedoch: Was bedeutet das für mich? Und neuerdings auch: ist diese Diagnose überhaupt real?
Genau dem möchte ich mich heute mal widmen, da ich mittlerweile vielen mit dieser Diagnose helfen konnte. Keine Angst, es wird leicht zu verstehen sein.
Kaindl, Du sagst….
Heute früh habe ich eine Nachricht von einem Coach bekommen in der es um die Frage geht, ob es denn nun eine Einklemmung also ein mechanisches Impingement gibt im Schultergelenk oder ob es nicht einfach nur eine falsche Mechanik des so komplexen Schultergelenks ist.
“Viele moderne Pyhsiotherapeuten kommunizieren es ja so, dass es die klassische Enge im Schulterdach nicht gäbe und begründen dies mit diversen Studien zu diesem Thema.”
Da ich nun aber öfter davon spreche, “dass es Kompression geben kann, wenn die Funktion gestört ist” gibt es etwas Verwirrung, wie der Verfasser der Nachricht bescheinigt.
Darüber sprechen wir hier
in den meisten Fällen sprechen wir von subacromialem Impingement, wenn man so Impingement sagt. Dabei handelt es sich um ein Einklemmen des Supraspinatus [ der vom Schulterblatt kommend, unter dem Schulterdach (Acromion) durchgeht und außen am Oberarm (Humerus) ansetzt] unter dem Schulterdach. Das ganze passiert vor allem, wenn wir den Arm dann seitlich abspreizen, also anheben.
Die Folge sind eine Reizung und in der Folge Entzündung der Supraspinatussehne - Tendinitis. Das ist sehr vereinfacht erklärt und bezieht einige Dinge nicht mit ein, aber erlaubt uns hier in diesem Rahmen den Fokus auf dem wichtigsten zu halten.
Die Frage ist nun was ist die URSACHE? Denn nur wenn wir diese beheben können, dann schaffen wir es die fehlgeleitete Belastung von der Sehne zu nehmen (zu differenzieren von einer physiologischen, richtig geleiteten Belastung) und dadurch eine Verbesserung der Problematik zu gewährleisten.
Was ist mit exzentrischen und isometrischen Übungen?
Exzentrisches Training und isometrisches Training kann eingesetzt werden, um die degenerativen Veränderungen in einer entzündeten Sehne anzugehen. Das Einsprossen von Gefäßen und Schmerzrezeptoren, sowie die Veränderung der Kollagenstruktur sind solche strukturellen Anpassungen, die man rückgängig machen muss, um eine belastbare Sehne zu erhalten.
Nur ändern sie nichts am funktionellen Problem - der Ursache. Sie kümmern sich darum den Schaden zu reparieren.
Rhythmus überall
Das besondere am Schultergelenk ist, dass es seinen großen Bewegungsradius erhält in dem das Gelenk auf dem Körper wandert. Tatsächlich ist die Hüfte das Gelenk mit dem größten Bewegungsausmaß - den an der Schulter haben wir mehrere (echte und falsche) Gelenke, die Zusammenarbeiten.
Wir haben das Gelenk zwischen Oberarm und Gelenkspfanne (Glenohumeral Gelenk). Diese Pfanne sind am Schulterblatt, welches wiederum freibeweglich auf dem Brustkorb sitzt und durch mehrere Muskeln auf diesem fixiert ist. Je nachdem wie diese Muskeln zusammen arbeiten kann das Schulterblatt ausgerichtet werden und somit auch die Pfanne (ergo das Glenohumeral Gelenk). Damit wir den Arm über (in etwa) 90° zur Seite heben können, muss das Schulterblatt auf dem Brustkorb rotieren und das Gelenk so ausrichten, dass es nach oben schwingt. Ist diese Zusammenarbeit gestört, dann werden wir ein Impingement Problem bekommen. Ich erkläre unter anderem ein paar der Schulterblattbewegungen in diesem Video zum Bankdrücken:
Reha und Rotatorentraining vs. einfach trainieren
Ich hatte vor nun mehr 18 Jahren schon Diskussionen darüber, dass das isolierte Training der Außen- und Innenrotatoren der Schulter nicht die wirkliche Lösung für dieses Problem bietet. Der Grund dafür ist ein so simpler wie komplexer:
Damit ein Muskel “gut” arbeiten kann muss er in die Position gebracht werden, in der er seine Funktion “gut” erfüllen kann. Im Fall des Schultergelenks und der Rotatorenmanschette bedeutet das wiederum:
Das Schulterblatt muss in der richtigen Position für die jeweilige Bewegung sein. Dies ist der Fall da diese Muskeln alle zwischen Schulterblatt (unterschiedliche Bereiche) und dem Oberarm verlaufen (unterschiedliche Bereiche). Nur wenn das Schulterblatt an der richtigen Stelle fest durch Muskeln fixiert ist, können die Rotatoren auch Kraft auf den Oberarm übertragen.
Wir sehen also: Klar starke Rotatoren sind gut, aber nur wenn das Schulterblatt den richtigen Halt und die richtige Ausrichtung bietet.
Natürlich stellen sich jetzt viele die Frage: “Aber wie genau ist jetzt die jeweilig gute Position des Schulterblatts, damit die Rotatoren ihren Job tun können?” Das ist allerdings zu umfangreich, um in einem einzigen Artikel behandelt werden zu können. Daher ein paar Dinge, die Du praktisch anwenden kannst
Rudern für den oberen Rücken nicht den Lat
Jeder Ruderbewegung sollte mit dem Schulterblatt eingeleitet werden. Wir wollen hier aus der Protraktion, Schulterblatt ganz nach vorne kommen lassen, in die Retraktion arbeiten, Schulterblatt nach hinten zur Wirbelsäule bringen. Das geschieht nicht getrennt von der Bewegung des Oberarms, sondern natürlich harmonisch abgestimmt. Daher ist es nicht: Schulter hinter, dann Ziehen. ABER der Fokus sollte auf dem Schulterblatt liegen, denn es passiert viel leichter (und bei mehr Leuten, als man denkt), dass der Oberarm nach hinten wandert ohne, dass das Schulterblatt den entsprechenden Weg in Richtung Wirbelsäule macht. Das ist eine Sache, die ich deshalb auch in diesem Video so betone:
Und tatsächlich ist das eine der ersten Sachen, die ich mit Leuten durchgehe, die mit Schulterschmerzen kommen.
Lass die Schulter hinten
Für Dinge wie Pulldowns würde ich empfehlen einfach darauf zu achten, ob ab einem gewissen Punkt unten in der Bewegung (also im Bereich des Umkehrpunkts) die Schulter im Gelenk nach vorne wandert. Das sieht man ganz einfach daran, wenn der vordere Delta (es ist natürlich der Knochen darunter, aber hey so ist es einfacher) wieder nach vorne kommt. Du willst quasi den Oberarm im Gelenk nach unten Ziehen wenn Du den Arm an den Körper bringst.
Auch das ist eine absolute Simplifizierung, aber eine für Trainierende gut nutzbare Heuristik. Falls Du eine anatomisch exaktere Beschreibung möchtest, lass es mich in einem Kommentar wissen.
Dein oberer Rücken ist nie zu stark
Ich weiß, das ist nicht en vogue, aber es funktioniert eben einfach. Seitheben vorgebeugt, Rudern, Reverse Flyes an der Maschin oder dem Kabelzug - alles fantastsich. Wenn Du Schulterschmerzen von Bankdrücken etc. hast, dann wird es hier nciht Schaden mehr zu machen.
Lerne Deine Schulter fokussiert zu bewegen
Übungen wir CARS - Controlled Articular Rotations - in unterschiedlichen Mustern können hier sehr hilfreich sein, WENN Du diese fokussiert ausführst. Manchmal benötigt man dafür mehr Anleitung, manchmal entwickelt man hier selbst einen guten Zugang zur Schulter und zu dem was Dein Schulterblatt und Dein Schultergelenk machen. Eine Variante, die ich gerne machen lasse:
Hör nicht auf zu bewegen
Bewegung ist wichtig. Wenn die Schulterschmerzen Deine Bewegung einschränken, dann solltest Du Dir Unterstützung von jemandem holen, der Dir Bewegung wieder ermöglicht. Wichtig ist aber: Immer viel bewegen in den Bereichen die schmerzfrei gehen.
Oft ist Traktion mit Gewichten oder Bändern auch ein angenehmes Add on - keine Lösung, aber angenehm.
Exzentrisch nicht nur bei den Outfits
Exzentrisches Training ist wie schon erwähnt ein gutes Mittel, um entzündete Sehnen strukturell zu verbessern. Gerade im Bereich der Schulter und bei Impingement-Problemen ist das gar nicht so einfach ohne das funktionelle Problem des Scapulo-Thorakalen und Gleno-humeralen Rhythmusses nicht wieder zum Problem werden zu lassen. Ich empfehle hier einfache isometrische Belastungen in Außenrotation und Innenrotation und einen großen Foksu auf Verbesserung der Funktion - dann kann man mit Exzentrik besser ran gehen.
Ich hoffe das hilft Dir - ich hoffe Du hilfst mir
Ich schreibe das alles nicht in dem Wissen wer genu das liest.
Bist Du Coach und willst mehr Tiefe?
Bist Du Trainierender und froh, wenn ich nicht so viel Nerd Zeug reinpacke sondern versuche es praktisch anwendbar zu halten?
Je mehr Feedback ich von Dir bekomme, desto besser kann ich für Dich schreiben - und darum geht es mir letzendlich.
Und damit ich das immer weiter und mehr machen kann würde ich mich sehr freuen, wenn Du in ein Paid Abo wechselst - das weiß ich sehr zu schätzen und ich bin auch für Deinen Vorschlag offen, was das Paid Abo für Dich noch attraktiver machen würde.
Bis dahin wünsche ich gutes Training und geb Dir eine Sache mit die ich meinen Trainees oft sage:
“Wir bauen die Anden auf deinem oberen Rücken”
Bis zum nächsten Mal,
Sebastian
Hallo Sebastian, fand diesen Artikel sehr interessant. Bei mir wurde das Impigment auf eine Entzündung der langen Bizepssehne zurückgegührt. Insgesamt finde ich deine Beiträge immer interessant und hilfreich. Schön wären noch Anmerkungen zum Training Ü50. Für mich ist Hypertrophie nicht mehr so wichtig, dafür Kraft, Explosivkraft und Beweglichkeit umso mehr. Da ich selbst viel lese wären auch entsprechende Buchtipps zu deinen Themen sehr hilfreich. Grüße Stephan
Klasse Beitrag, mich würde ein bisschen mehr Tiefe auch in Bezug auf Anatomie durchaus interessieren;)